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Title: Gemeinschaft und Persönlichkeit Author: Einstein, Albert (1879-1955) Date of first publication: 1934 Edition used as base for this ebook: Amsterdam: Querido Verlag, 1934 [Die Sammlung, I vii] Date first posted: 30 July 2010 Date last updated: 30 July 2010 Project Gutenberg Canada ebook #583 * Livre électronique de Project Gutenberg Canada * Le présent livre électronique est rendu accessible gratuitement et avec quelques restrictions seulement. Ces restrictions ne s'appliquent que si [1] vous apportez des modifications au livre électronique (et que ces modifications portent sur le contenu et le sens du texte, pas simplement sur la mise en page) ou [2] vous employez ce livre électronique à des fins commerciales. Si l'une de ces conditions s'applique, veuillez consulter gutenberg.ca/links/licencefr.html avant de continuer. Ce texte est dans le domaine public au Canada, mais pourrait être couvert par le droit d'auteur dans certains pays. 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Wir essen Speisen, die von anderen Menschen erzeugt sind, wir tragen Kleidungsstücke, die andere Menschen hergestellt haben und bewohnen Häuser, die andere Menschen gebaut haben. Das meiste, was wir wissen und glauben, haben uns andere Menschen mitgeteilt mittels einer Sprache, die andere geschaffen haben. Unser Denkvermögen wäre ohne Sprache gar ärmlich, dem der höheren Tiere vergleichbar, sodass wir wohl gestehen müssen, dass wir, was wir vor den Tieren in erster Linie voraus haben, unserem Leben in menschlicher Gemeinschaft zu verdanken haben. Der Einzelne -- von Geburt an allein gelassen -- würde in seinem Denken und Fühlen tierähnlich primitiv bleiben in einem Masse, das wir uns nur schwer vorzustellen vermögen. Was der Einzelne ist und bedeutet, ist er nicht so sehr als Einzelgeschöpf, sondern als Glied einer grossen, menschlichen Gemeinschaft, die sein materielles und seelisches Dasein von der Geburt bis zum Tode leitet. Was ein Mensch für seine Gemeinschaft wert ist, hängt in erster Linie davon ab, inwieweit sein Fühlen, Denken und Handeln auf die Förderung des Daseins anderer Menschen gerichtet ist. Je nach der Einstellung eines Menschen in dieser Beziehung pflegen wir ihn als gut oder schlecht zu bezeichnen. Es sieht auf den ersten Blick so aus, wie wenn die sozialen Eigenschaften eines Menschen allein für seine Beurteilung massgebend wären. Und doch wäre eine solche Auffassung nicht richtig. Es lässt sich leicht erkennen, dass alle materiellen, geistigen und moralischen Güter, die wir von der Gesellschaft empfangen, im Laufe der unzähligen Generationen von schöpferischen Einzelpersönlichkeiten herstammen. E i n e r hat einmal den Gebrauch des Feuers, e i n e r den Anbau von Nährpflanzen, e i n e r die Dampfmaschine erfunden. Nur das Individuum kann denken und dadurch für die Gesellschaft neue Werte schaffen, ja selbst neue, moralische Normen aufstellen, nach welchen sich das Leben der Gemeinschaft vollzieht. Ohne schöpferische, selbständig denkende und urteilende Persönlichkeiten ist eine Höherentwicklung der Gesellschaft sowenig denkbar wie die Entwicklung des Einzelnen ohne den Nährboden der Gemeinschaft. Eine gesunde Gesellschaft ist also ebenso an Selbständigkeit der Individuen geknüpft wie an deren innige soziale Verbundenheit. Es ist mit viel Berechtigung gesagt worden, dass die griechisch-europäisch-amerikanische Kultur überhaupt, im Besonderen die Kulturblüte der die Stagnation des Mittelalters in Europa ablösenden italienischen Renaissance, auf der Befreiung und relativen Isolierung des Individuums beruhe. Blicken wir nun auf die Zeit, in der wir leben. Wie steht es mit der Gemeinschaft, wie mit der Persönlichkeit? Die Bevölkerung in den Kulturländern ist gegenüber früheren Zeiten ungemein dicht: Europa beherbergt heute ungefähr dreimal soviel Menschen als vor hundert Jahren. Aber die Zahl der Führer-Naturen hat unverhältnismässig abgenommen. Nur wenige Menschen sind durch ihre produktive Leistung den Massen als Persönlichkeiten bekannt. Organisation hat bis zu einem gewissen Masse die Führer-Naturen ersetzt, besonders auf dem Gebiete der Technik, aber in einem recht fühlbaren Grade auch auf dem Gebiete der Wissenschaft. Besonders empfindlich macht sich der Mangel an Individualitäten auf dem Gebiete der Kunst bemerkbar. Malerei und Musik sind deutlich degeneriert und haben ihre Resonanz im Volke weitgehend verloren. Die geistige Selbständigkeit und das Rechtsgefühl des Bürgers sind weitgehend gesunken. Die demokratische, parlamentarische Organisation, welche eine solche Selbständigkeit zur Voraussetzung hat, ist an vielen Orten ins Wanken geraten; Diktaturen sind entstanden und werden geduldet, weil das Gefühl für die Würde und das Recht der Persönlichkeit nicht mehr genügend lebendig ist. In zwei Wochen kann durch die Zeitungen die urteilslose Menge in einem Lande in einen Zustand solcher Wut und Aufregung versetzt werden, dass die Männer bereit sind, als Soldaten gekleidet zu töten und sich töten zu lassen für die nichtswürdigen Ziele irgendwelcher Interessenten. Die militärische Dienstpflicht scheint mir das beschämendste Symptom für den Mangel an persönlicher Würde zu sein, unter dem unsere Kulturmenschheit heute leidet. Dementsprechend fehlt es nicht an Propheten, welche unserer Kultur den baldigen Untergang prophezeihen. Ich gehöre nicht zu diesen Pessimisten, sondern glaube an eine bessere Zukunft. Diese Zuversicht möchte ich noch kurz begründen. Die gegenwärtigen Verfallserscheinungen beruhen nach meiner Meinung darauf, dass die Entwicklung der Wirtschaft und Technik den Daseinskampf der Menschen sehr verschärft hat, sodass die freie Entwicklung der Individuen schweren Schaden gelitten hat. Die Entwicklung der Technik fordert aber von dem Individuum immer weniger Arbeit für die Befriedigung des Bedarfes der Gesamtheit. Eine planvolle Verteilung der Arbeit wird immermehr zur gebieterischen Notwendigkeit, und diese Verteilung wird zu einer materiellen Sicherung der Individuen führen. Diese Sicherung aber und die freie Zeit und Kraft, die dem Individuum übrig bleiben wird, vermag der Entwicklung der Persönlichkeit günstig zu sein. So kann die Gemeinschaft wieder gesunden, und wir wollen hoffen, dass spätere Historiker die sozialen Krankheits-Erscheinungen unserer Zeit als Kinderkrankheiten einer höher strebenden Menschheit deuten werden, die lediglich durch zu rasches Tempo des Kulturprozesses veranlasst waren. [End of _Gemeinschaft und Persönlichkeit_ by Albert Einstein] [Fin de _Gemeinschaft und Persönlichkeit_ par Albert Einstein]